Kapitel 18 - Gloria

Natürlich waren wir neugierig, was nun das Resultat von Milagros eifrigen Bemühungen sein würde. Nicht, daß wir einfach da saßen und abwarteten, dafür gab es nun doch zuviel zu tun in unserm Katzenhaushalt. Irgendwas passierte immer, das uns in Anspruch nahm. Dalilas Tochter Aurelia hatte drei wundervolle Babys bekommen, ein Katerchen und zwei Kätzchen. Wie üblich konnte ich mich nicht von allen trennen. Für das Katerchen fand sich ein liebevolles neues Heim, aber die beiden Mädchen blieben doch wieder bei uns. - Ich sagte es schon, ich war zur Züchterin nicht geeignet. Junge Kätzchen zu haben, war reinste Seligkeit, sie abzugeben die Hölle. Ein richtiger Züchter zieht seine Jungtiere für andere groß. Er weiß das vorher und er trägt nicht gar zu schwer daran, daß er damit über das Schicksal der Katzen entscheidet. Die sollen es natürlich gut haben, aber dafür muß dann der neue Besitzer sorgen. Nur, die Tiere selbst können nicht mitwählen und sie werden nicht oder kaum verstanden, wenn sie sich beklagen. Dem neuen Käufer kann man nicht in die Seele sehen, das habe ich später zu meinem großen Kummer erfahren müssen. Die Tiere tragen den Schaden, wenn man sie im guten Vertrauen an den verkehrten neuen Besitzer abgibt.

Wie dem auch sei, die beiden Abessiniermädchen wurden Cara und Miranda getauft und auch sie spielten später eine Rolle in den Ereignissen, die wir zu jener Zeit noch nicht voraussehen konnten. Cara war eine schöne, selbstbewußte Katze, Miranda dagegen gefühlvoll und etwas scheu, mit Ausnahme den Familienmitgliedern gegenüber. Sie liebte uns mit Hingabe und mit einem feinen Gespür für Stimmungen.
Cara war wildfarben, Miranda rot (sorrel). Sie hatte von ihrer Großmutter Dalila den strahlenden Goldglanz und die grünen Smaragdaugen geerbt.

Katzen mit dem "International Champion" Titel, aber auch ihre Nachkommen, hatten in der Katzenzüchterwelt, in der ich mich jetzt bewegte, den Ruf, etwas ganz besonderes zu sein. Viel später erst entdeckte ich, daß Ausstellungsgewinn doch nicht so wichtig ist, wie es einem im Augenblick erscheint, und auch, daß es nicht unbedingt den Gewinn von Freunden bedeutet.

Äußerliche Umstände wirkten meiner Neigung, viel zu viele Kätzchen für mich zu behalten, noch in die Hand. Unser Sohn Freerk ging jetzt, wie schon früher seine Schwester, zur Universität. Nur in den Ferien kam er noch nach Hause. Wenn wir keine Katzen gehabt hätten, wäre das Haus jetzt viel zu groß für uns gewesen.

Wenn ein Problem gelöst ist, entsteht automatisch das nächste. Das ist so in vielen Dingen, in einem Katzenhaushalt ist es fast ein Gesetz. Seit Milagro seine "Duftmarken" schön gleichmäßig im Haus verteilte, fühlten die Abessinierkater, die erst keinerlei Territoriumsansprüche gestellt hatten, sich verpflichtet, auch ihre Besitzansprüche auf dieselbe Weise geltend zu machen. Außerdem wurden sie oft auf schon bedenkliche Weise von Milagro bedroht. Er duldete keine anderen Götter neben sich. Wenn wir ernsthafte Kämpfe vermeiden wollten, würden wir für sie ein Katerhaus schaffen müssen, so leid uns das auch tat. Der frühere Fahrrad- und Hobbyschuppen wurde für Sothis und seinen schönen Sohn Emir eingerichtet. Ein Teil des zum Freigehege umgebauten Gartens wurde für sie abgezweigt. Natürlich durften sie, wie früher, noch ab und zu ins Haus kommen, aber nur wenn jemand da war, der die Sache unter Kontrolle hatte. Für alle Fälle!

Milagro von den anderen zu trennen, wäre unmöglich gewesen. Es hätte katastrophale Folgen für seinen Charakter, vielleicht sogar für seinen Lebenswillen bedeuten können.

Richtig spannend wurde es, als wir entdeckten, daß nicht nur Candy, sondern tatsächlich auch Iris ein rundes Bäuchlein bekam und die Zitzen rosa wurden. Das ist nämlich ein untrügliches Zeichen für eine Schwangerschaft bei Katzen.

Wieder wurden Höhlen konstruiert und Körbchen mit weichen Kissen ausgepolstert. Dem Fleisch wurden Vitamintropfen zugefügt, die immer liegen blieben, weil die Katzen um die Stellen, die "unangenehm" - (nach Vitamin) rochen, schön säuberlich herum aßen. - Der Ordnung halber stelle ich eben fest: ich spreche lieber von Essen bei Katzen und nicht von Fressen. Man vergleiche: ein kaltes Buffet bei festlichen Gelegenheiten und die von Joost de Klerk in Kapitel 6 beschriebene Weise der Nahrungsaufnahme bei Raubtieren!

Wenn man viel zu tun hat, vergeht die Zeit im Fluge. Der 15. August war drückend warm, einer dieser Tage, an denen man sich nach einem kühlen Abend sehnt. Iris war den ganzen Tag über unruhig gewesen. Alle Schränke und Ecken hatte sie ausprobiert auf der Suche nach einem geeigneten Platz für ihre Jungen. Schließlich entschied sie sich für das Sofa im Vorzimmer. Das war noch im "Besucherzustand", also eigentlich nicht als Katzenwochenbett vorgesehen. Aber das war jetzt nicht wichtig. Ich schob eine Moltondecke unter Iris und sie bemerkte es kaum. Langsam fing ihr Bäuchlein an, sich rhythmisch zu bewegen.

Vom ersten bis zum letzten Wurf meiner Katzen, der bei mir geboren wurde, ist es für mich immer eine Sensation gewesen, wenn junge Kätzchen zur Welt kamen. Auch wenn, was meistens der Fall war, die Geburt in der Nacht stattfand, bin ich immer dabei geblieben. Meine Katzen zeigten mir auch deutlich, daß sie meine Gegenwart schätzten. Sie wurden unruhig, sobald ich eben fort ging. Sie suchten meine Nähe und fingen gleich an zu spinnen, wenn ich kam. Das Spinnen der Katzen ist nicht nur ein Zeichen von Entspannung und Zufriedenheit, wie man so oft denkt, sondern es kann, bei Gelegenheit, auch die Bitte um Hilfe sein.

Da saß ich nun neben Iris, mit Handtüchern, Schale (mit warmem Wasser) und Schere bewaffnet, alles was nötig ist, wenn eine noch junge Katzenmutter ihren ersten Wurf bekommt. Auch sie weiß zwar schon (Erbgut), was sie zu tun hat, aber sie tut es oft noch so ungeübt, daß ohne menschliche Hilfe doch manches Jungtier sterben würde. Auch bei Hauskatzen sieht das erste Nest oft nach einer "Generalprobe" aus. Weder Handtuch noch sterilisierte Schere konnten allerdings verhindern, daß meine Gedanken auf den merkwürdigsten Fantasiewegen herumirrten. Iris würde gleich Junge von Milagro bekommen, das allein war schon unglaublich genug. Wie würden sie aussehen? Wie Abessinier? Wie Oncillas? Eine Kombination von beiden gab es nicht, das war mir verschiedentlich von befugter Seite erklärt worden. Totgeborene Missgebilde? Das wäre schlimm für Iris und für uns. Ich würde mich schuldig fühlen, weil ich die Deckung nicht verhindert hatte. - Oder würde doch ein Wunder geschehen? Eins dieser Wunder, die man hinterher immer mit natürlichen Ursachen erklären kann?

"Erwarte nicht zu viel!" hatte mein Mann mindestens einmal täglich zu mir gesagt seit ich wußte, dass Iris schwanger war. "Sonst bist du hinterher enttäuscht." Jetzt war ich allein zu Hause. Immer war irgendwer da: mein Mann, Els, Hermien, aber jetzt keiner. Im kritischen Augenblick war ich mutterseelenallein. Es war noch kaum eine Stunde her, dass ich mich hier installiert hatte, mit Handtuch, Schere und dem inzwischen schon ein paar Mal wieder kalt gewordenen Wasser. Es erschien mir eine Ewigkeit.

"Ruhig nur, Iris, wir schaffen das schon!" - Iris war ruhig genug, ich war es, die nervös war.

Plötzlich ein heftiges Stoßen und Ziehen mit Bauch und Pfoten, ein Stöhnen von Iris und dann war da auf einmal ein Köpfchen, ein vollständiges, winziges Mini-Katzenkörperchen, viel kleiner als ich je ein neugeborenes Jungtier gesehen hatte. Aber es war ein Kitten, mit Kopf, Schwanz und vier Beinen. Es war noch nass und sah schwarz aus, aber man konnte sehen, daß es Flecken haben würde. Das alles war der erste Eindruck.

Iris stellte sich als eine ungeschickte und auch noch ziemlich gleichgültige Mutter heraus. Sie hätte jetzt die Nabelschnur durchbeißen und das Kleine trocken lecken müssen, aber sie tat gar nichts. Ich schnitt die Nabelschnur vorsichtig durch, trocknete das Neugeborene ab und massierte es sanft, aber es lag nur schlapp in meiner Hand. Das Kitten war totgeboren.

Nun, das hatten wir erwartet und so war es gekommen. Warum war ich nun doch enttäuscht, sogar traurig? Weil ETWAS tot war? Weil ich vielleicht doch etwas besonderes erwartet hatte?

Iris lag auf der Moltondecke, als wenn sie das alles gar nichts anginge. Ich legte das kleine tote Tierchen auf ein Handtuch und ging zum Telefon um meinen Mann im Büro anzurufen. "Bobby, es ist etwas Trauriges passiert. Iris hat ein Junges bekommen und es ist tot. Es ist so hübsch."

"Du hattest doch nichts anders erwartet, weißt du noch?"
"Ich weiß, ich wollte es Dir nur erzählen."

Als ich zu Iris zurückkam, mußte ich eben mit den Augen zwinkern. Neben Iris lag wieder ein Kitten. Diesmal hatte sie es selbst trocken geleckt und die Nabelschnur zerbissen, aber auch dieses Kleine war tot. Ich nahm es auf und legte es zu dem anderen auf das Handtuch.

Herrn Professor Leyhausen hatte ich versprochen, daß ich eventuell totgeborene Jungtiere für ihn bewahren würde. Also packte ich die zwei kleinen Leichen in eine Plastiktüte und legte das Päckchen in den Tiefkühlschrank.

Es war ein trauriger Nachmittag, wenigstens bis dahin. Iris blieb still auf dem Sofa liegen.

Es wurde Zeit für mich, in die Küche zu gehen und mich um das Essen zu kümmern. Mein Mann würde bald kommen. Aber erst einmal zerklopfte ich ein Ei mit etwas Sahne, mein damaliges Hausmittel zur Stärkung von Katzenmüttern. Es war eben noch die lang verflossene Zeit, in der man ruhig frische Eier verzehren konnte, ohne sich vor Salmonellen fürchten zu müssen. Als ich mit dem Schüsselchen zu Iris kam, war sie grade dabei noch ein Junges trocken zu lecken. Es war genau so winzig wie die anderen, aber....es bewegte sich! Sobald es etwas trocken war, konnte man sehen, daß es ganz, ganz kleine Flecken hatte. Vorsichtig legte ich Iris mit ihrem Baby in ein Körbchen, damit mir der Winzling nicht noch vom Sofa fallen würde. Iris schien das zu begreifen, sie legte sich brav im Körbchen zurecht und nahm sogar etwas von dem Ei-Sahne Gemisch.
Auf einmal wurde mir klar, daß das Wunder tatsächlich geschehen war. Die Katze, die es nicht geben konnte, war geboren! Als mein Mann nach Hause kam, saß ich grade wieder bei Iris. Er kam näher und sah das Kitten: "Du sagtest doch, es wäre tot. Ich finde, es sieht ziemlich lebendig aus."

"Nein, das erste war tot. Und das zweite auch. Dieses ist grade eben geboren. Sag mal, wie soll es denn heißen? Es ist ein Mädchen."

"Nenn es doch Gloria." sagte mein Mann, "Für dich ist das doch eine glorreiche Überlistung der Naturgesetze, oder nicht?"

Und so wurde die Katze, die es nicht geben durfte, Gloria getauft und so ist sie auch in die Katzengeschichte eingegangen, als die erste Kreuzung zwischen südamerikanischen Tigerkatzen und Abessiniern.

Auf dem allerersten Foto, das ich von Gloria gemacht habe, sieht sie noch ein wenig aus wie eine Kaulquappe, aber ich füge es der Vollkommenheit wegen doch diesem Bericht bei.

Gloria war kurz nach der Geburt bedeutend kleiner als ein neugeborenes Abessinierkitten. Erst am zweiten Tage wagte ich es, sie auf eine Briefwaage zu legen. Sie wog ganze 60 Gramm. Bei ihrer Geburt wird sie darum kaum mehr als 50 Gramm gewogen haben. Kleine neugeborene Abessinier wiegen ca. 80 Gramm, Hauskatzen mindestens 100 bis 240 Gramm. Später sollte sich herausstellen, daß Gloria die Abessinier schnell einholen und sogar überholen würde, aber zu Anfang war sie ein Miniatur-Pantherchen.

Leider war Iris sehr unruhig. Ich denke, daß sie doch noch nach ihren anderen Kindern suchte. Eine Katze weiß es sehr gut, wenn man ihr ihre Jungen abgenommen hat. Dann sucht sie sie und genau das tat Iris auch. Dass die verschwundenen Jungen tot sind, kann sie scheinbar nicht glauben. Leider blieb dabei die kleine und doch recht zarte Gloria viel zu lange allein und wurde oft ziemlich kalt. Ich erwog eine Rettungsaktion.
Es traf sich, daß gerade am Tage vor Glorias Geburt ein Abessinierwurf geboren war. Anuschka, die Tochter von Cleonie und Sothis hatte vier Babys bekommen. (Wie habe ich doch alle die schlaflosen Nächte ausgehalten? frage ich mich heute).

Als Iris das Körbchen einmal wieder verlassen hatte, brachte ich die kleine Gloria zu Anuschka, die sie sofort liebevoll empfing und leckte. Katzenmütter versorgen gern die Jungen anderer Katzen. Ich probierte Gloria an Anuschkas Zitzen zu legen, aber gegen vier "dicke, fette" Abessinierbabys konnte sie sich nicht durchsetzen. Sie wurde sofort zur Seite gedrängt und glitt von der Zitze ab. Weil ich ihr doch die Möglichkeit geben wollte, sich an Anuschka zu gewöhnen, nahm ich drei der vier Anuschka-Babys und brachte sie solange zu der gerade in ihrem Korb zurückgekehrten Iris. Die war ganz begeistert. Sie leckte die Kleinen und legte sich so hin, daß sie trinken konnten. Das waren wenigstens richtige Kinder und dann gleich drei! Resultat: Gloria konnte nun bei Anuschka trinken, aber jetzt wurde die unruhig. Da fehlte doch was? Das mußte sie erst einmal suchen. Demonstrativ brachte ich ihr eins ihrer Kleinen zurück: "Schau mal, Anuschka, da ist es ja!" Anuschka schnüffelte an dem Kitten, legte sich hin und war zufrieden. Katzen können nicht "eins, zwei und drei" zählen, sie zählen: "eins, zwei und viel". Auch Iris war zufrieden, sie hatte jetzt zwei Kinder und obendrein etwas robustere Babys, bei denen man auch wirklich merkt, wenn sie trinken. Ich setzte die Körbchen von Iris und Anuschka nebeneinander, für den Fall, daß doch eine der Mütter eins ihrer Kinder suchen sollte. Jetzt herrschte Frieden und Wohlbehagen im Wohnzimmer.

Endlich konnte ich aufatmen, aber wie immer war keine Freude ungetrübt. Glorias Gewicht wollte nicht den Vorschriften entsprechend zunehmen, Anuschkas liebevoller Sorge zum Trotz.

Wieder einmal beschloss ich einzugreifen und zwar mit einer kleinen Zwischenmahlzeit für Gloria. Heutzutage kann man verschiedene Sorten künstlicher Katzenmilch beim Händler kaufen. Vergleichbares gibt es auch für Hunde und, wie ich später erfahren sollte, für Schafe. Aber 1964 gab es auf dem Gebiet nur ein Präparat und von dem hatte ich wenig Gutes gehört.
Der Tierarzt gab mir ein Rezept für eine Milchmischung, die der Katzenmilch am nächsten kommen sollte. Ich erinnere mich nur noch teilweise an die Zutaten, Kuhmilch, Sahne, Eigelb und ein Vitamingemisch, das der Tierarzt zusammengestellt hatte. Ich glaube, ein Kalkpräparat gehörte auch dazu. Das Ganze wurde gut gemischt und in ein Puppenfläschchen gefüllt, das einen kleinen Nuckel hatte.

Zur Vorsicht probierte ich es eben, es schmeckte prima. Nur Gloria war anderer Meinung. Sie fand das Zeug abscheulich und spuckte es aus. Sie wehrte sich gegen das Fläschchen mit ihren scharfen Nägeln. Es wurde ein Kampf von Mann zu Mann oder, besser gesagt, von Frau zu Wunderkatze. Gloria war klein aber keineswegs wehrlos. Es hat mich einige Tage gekostet, bis ich sie an den Geschmack der Milchmischung gewöhnt hatte. Gleich darauf wurden die Rollen umgedreht. Jetzt verlangte sie ihre Mahlzeit, wenn ich grade einmal nicht zur rechten Zeit zur Stelle war. Dann "meckerte" sie laut und durchdringend. Die Stimme hatte sie vom Vater, das stellte sich dabei heraus. Den starken Willen hatte sie wohl auch von ihm geerbt. Sie hatte ihre drei Mütter (Iris, Anuschka und mich mit meinem Fläschchen) vollkommen unter Kontrolle. Allerdings muss ich erkennen, daß ihre leibliche Mutter Iris sich dadurch am allerwenigsten beeindrucken ließ.

Glorias Gewicht machte erfreuliche Fortschritte, die Mühe war nicht ohne Resultat. Bei den kleinen Abessiniern öffneten sich die Augen planmäßig zwischen dem zehnten und zwölften Tage. Bei Gloria dauerte es ganze 16 Tage. Ab und zu holte eine der Mütter ein Junges vom anderen Korb in den eigenen aber schon bald krabbelten alle fünf fröhlich durchs Zimmer, alles unter den wachsamen Augen beider Mütter.

Das Tam-Tam der modernen Welt ist das Telefon. Das wurde nun gleich heftig gebraucht. Die Freunde, die aufrecht interessiert waren, wurden informiert. Hermien, die als erste zur Besichtigung des neuen Raubtieres kam, sah sich das an und beschloss sofort sich mit ihrem Buchhandel in Verbindung zu setzen. Sie würde lesend schon dahinter kommen, warum jeder gedacht hatte, daß es etwas nicht gäbe, was es schließlich doch gab. Und dann noch ausgerechnet bei uns.

Herr Professor Leyhausen wurde schnellstens über den Stand der Dinge unterrichtet. Zusammen mit Frau Barbara kam er schon drei Tage später, das Wunderwesen zu besichtigen und die zwei toten Tierchen abzuholen. Aus dem Gespräch mit den beiden Sachverständigen wurde mir erst richtig deutlich, dass da im Körbchen tatsächlich eine Sensation quäkte. Es gäbe nicht einmal Berichte über die Entwicklung von "echten" Oncillas und schon gar nicht über etwas so ungewöhnliches wie Oncilla-Abessinier-Hybriden, sagte Professor Leyhausen. Die zwei toten Kitten hat er nach Amerika geschickt. Da gab es einen berühmten chinesischen Professor, der sich für so etwas interessierte und der die Chromosomen und sonstige anatomische Besonderheiten der Kitten untersuchen würde. Wenn ich daran zurück denke, wird mir erst deutlich, wie schnell die Wissenschaft sich in den letzten vierzig Jahren entwickelt hat. Heute sind solche Untersuchungen etwas ganz normales.

Frau Dr. Wolff kam das Wunder bestaunen. Sie machte ganze Fotoserien von der trinkenden, fauchenden, freundlichen und schlafenden Gloria. Ein paar Wochen später stand ein Artikel in der "Edelkatze". Das war die Zeitschrift eines Katzenvereins, von der sie die Redaktion hatte. Der Titel hieß: "Sensationeller Zuchterfolg"!" Untertitel: Die Geburt der Gloria. Frau Dr. Wolff war es auch, die mich überredete, doch noch einmal eine Abessinierin durch Milagro decken zu lassen. "Es wäre doch großartig, wenn dann auch noch ein Hybridenkaterchen geboren würde. Dann wäre es möglich zu sehen, ob die zwei auch selbst Junge bekommen könnten und wie die dann aussehen würden." fand sie. Dazu ließ ich mich gern überreden, ich wollte das auch wohl wissen. Die Wissbegierde hat etwas ansteckendes.

Gloria entwickelte sich zu einer kleinen Schönheit. Ihre Flecken könnte man eher mit denen der südamerikanischen Kleinfleckkatze vergleichen. Das Köpfchen war etwa so geformt wie das der Abessinier, nur hatte es kleinere und runde Öhrchen mit dem weißen Wildfleck der Oncillas. Der Körper war schon bald länger als der der Abessinier und die Pfoten bedeutend kräftiger. Das hatte sie weder von den Abessiniern noch von den Oncillas, die ausgesprochen zierliche Pfoten haben. Welch unbekannter (vielleicht gemeinsamer?) Vorfahre manifestierte sich da? Wir haben es nie erfahren, nur bestätigte sich später der daraus entstehende Verdacht, dass Gloria ihren beiden Eltern wohl über den Kopf wachsen würde.
Auch wenn sie sich ein wenig schneller entwickelte als die Abessinier, so war sie doch immer eine sportive und rücksichtsvolle Spielgefährtin für die anderen.

Zu uns Menschen war sie von einer anspruchsvollen Anhänglichkeit. Schnell würden wir entdecken, dass sich bei ihr die wachsame Beobachtungsgabe der Oncillas zu der Unbefangenheit der Abessinier gefügt hatte.

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