Luchse in Pierer's 1860
Der folgende Lexikonartikel über Luchse stammt aus dem Jahr 1860 und ist daher in Teilen nicht mehr aktuell.
Luchs (Lynx)
Untergattung aus der Gattung Katze; ausgezeichnet durch einen kurzen Schwanz, ziemlich kurze Beine u. mehr od. weniger lange Ohrpinsel.
Man kennt jetzt 12 Arten, nämlich, außer den unten genannten sieben, noch: Felis pardina Ok., F. vulpinus Thunb., F. caligata Bruce, F. maculata Horsf., F. Rüppelii. Brandt.
Der L. ist bes. in Beziehung auf den Pelzhandel wichtig u. von folgenden Arten kommen die Pelze hauptsächlich in den Handel:
a) Nordischer L. (F. borealis Pall.), langzottig u. daher gedrungener als andere erscheinend; der Winterpelz ist graugelblich, hier u. da mit längeren, weißlichen, an der Spitze schwarzen Haaren u. mehr od. weniger deutlichen, am mehr rostgelblichen Rücken aber mit deutlich braunen Flecken; Kehle weiß, mit schwarzem Haarbüschel jederseits, auch die übrige Unterseite ist weiß; Beine schwarz punktirt, Schnurren weiß, Ohrpinsel schwarz, Schwanz rostfarben, an der Spitze schwarz. Zuweilen ist dieser L. im hohen Norden auch ganz weiß, mit grauem Anfluge. Länge 3 Fuß 6 Zoll; lebt im nördlichen Sibirien, Schweden, Norwegen, Dänemark u. kommt zuweilen nach Norddeutschland.
b) Rothluchs (F. lynx L., F. lupulinus Thunb.), war sonst über fast ganz Europa verbreitet, jetzt nur noch in den höheren Gebirgswäldern der Alpen, Apenninen u. Pyrenäen, nur im Winter in niedriger gelegene Waldungen herabgehend; Winterpelz fuchsroth, unten immer weiß, im Sommer röthlichgrau u. undeutlich gefleckt, Schwanz schwarz geringelt u. mit schwarzer Spitze; Länge 3 Fuß 3 Zoll, Schwanz 8 Zoll.
c) Hirsch- od. Wolfsluchs (L. cervaria Temm., Kattlo L in.), die schönste Art; grau, röthlich überlaufen, mit Silberglanz u. runden, schwarzen, ziemlich großen deutlichen Flecken; Untertheile weiß, Schwanz aber rothgrau mit schwarzen Flecken, unten weiß, am Ende schwarz, Ohren gran mit weißem Rande u. schwacher schwarzer Spitze; im Sommer ist die Grundfarbe mehr röthlich; er lebt im ganzen Norden der Erde; Länge gegen 3 Fuß, Schwanz 9 Zoll.
d) Caracal od. Persischer L. (F. caracal Güld., arab. Anak el ard, türk. Karakulak, d. h. Schwarzohr), grauröthlich, ins Gelbe spielend, die Unterseite weißlich, über den Augen zwei blasse Wischflecke, Oberlippe u. Kinn weiß, Schnurren schwärzlich, Oberrücken dunkler, Ohrpinsel schwarz; in Persien, Arabien u. am Senegal. Diese Art war den Alten vorzüglich bekannt; Länge 21/2 Fuß, Schwanz 10 12 Zoll.
e) Kirmyschakod od. Sumpfluchs (F. Chaus Güld.), oben graulich, ungefleckt, Kehle gelblich, Hals u. Leib unten blaßrostgelblich, ebenso der Umkreis der Augen mit untermischten schwarzen Haaren, Beine rostgelblich, sehr verloschen wellenstreifig, Schwanz über der letzten Hälfte schwarz geringelt, verhätnißmäßig dünn u. lang; die unteren Schnurren weiß, die oberen schwarz; Länge 2 Fuß 1 2 Zoll, Schwanz 9 Zoll.
f) Fuchsluchs (F. rufa Güld.), gewellt u. gestreift, im Sommer fuchsröthlich, im Winter braungrau, Schwanz kurz, dünn, mit vier grauen u. vier schwarzen Ringen; Länge 2 Fuß 5 Zoll; lebt in den Vereinigten Staaten Nordamerikas.
g) Canadischer L. (F. canadensis Geoffr. St. Hil., F. borealis Temm.), die einzige Art, welche nördlich von den großen u. östlich von den Felsenbergen in Nordamerika vorkommt, am Makenzieflusse bis zu 60 nördl. Br.; auch in Nordasien. Ohren mit schwarzem Haarpinsel, Leib u. Beine grau, da die Haare schwarze Spitzen haben, die Oberseite etwas bräunlich, die Seite u. Beine mit einem Anfluge von Holzbraun; Schwanz wie der Rücken gefärbt, an der Spitze aber schwarz; Bauch weiß, langzottig, Rücken sein u. dichthaarig. Länge 2 Fuß 7 9 Zoll, Schwanz 5 Zoll.
Jagdterminologie wie beim Fuchs, nur hat er Gesäng statt Zähne, Waffen (Krallen) statt Klauen, wird weit gewahr statt sieht, schleicht statt geht. Ranzzeit des nordischen Rothluchses im Februar, das Weibchen trägt 9, nach And. 15 Wochen. Die gelblichen zwei Jungen kommen in alten Fuchsbauen blind zur Welt.
Der L. fällt Hasen, Feldhühner, doch auch Mäuse, Eichhörner u. dgl., ferner Rehe, Schafe, Kälber etc., selbst Hirsche u. Sauen an; er schleicht sich an das Wild heran od. erlauert es, auf die Erde od. einen Baum gedrückt, u. springt 15 bis 20 Fuß weit auf dasselbe nach der Kehle, von Bäumen aus auf den Nacken u. beißt sich da fest, bis das Wild fällt. Er saugt dann das Blut aus u. frißt nur die edleren Theile. Macht er nicht sogleich einen neuen Fang, so kehrt er zu dem erlegten Thiere (Riß) zurück, aber so bald es anfängt, in Fäulniß überzugehen, verschmäht er es.
Bei Tage verbirgt er sich in Steinklüften u. hohlen Bäumen, auch wohl in Dachsbauen. Die besten Luchsbälge kommen aus Sibirien u. kosten bei uns 10 15 Thlr., halten sich aber nicht lange, weil die spröden Haare leicht abbrechen. Spürt man in einer Gegend einen L., bes. nach einer Neue, so wird er eingekreist u. mit Mittelzeug umstellt. Durch Hunde wird er dann in Netze od. auf einen Baum getrieben (doch springt er hierbei dem Jäger gern auf den Kopf) od. auf der Erde gestellt u. mit Büchsen erschossen. Man fängt ihn bisweilen, wenn man um einen frischen Riß desselben an Ketten gehängte Tellereisen legt. An seinem gewöhnlichen Aufenthaltsorte stellt man auch eine Art Schnellfallen (Luchsfallen) auf, an welche frisches Fleisch als Köder gehängt wird. Bisweilen lockt man ihn durch Nachahmung der Hasenstimme.
Pierer, Eugen: Pierer's Universal-Lexikon, 4. Auflage, Band 10, Altenburg 1860, S. 566.