Schluß

Gieb sie, gieb sie des Lebens Gaben
Und was Dein Herz in Liebe trägt:
Das Herz will seine Stimme haben,
Bevor es stolz und ruhig schlägt.

Jahre verstrichen. Rosaurus war ein großer dicker Kater geworden; die niedlichen Sprünge hatte er eingestellt; selten erlaubte er sich einen Spatziergang auf das Dach; seine Eltern waren gestorben und seine Geschwister kannten ihn nicht mehr; sie meinten, er habe gar zu feine Manieren angenommen; wollte immer etwas vorstellen, wenn er unter ihnen wäre, und wisse von gar nichts zu erzählen, als von dem großen Löwen, bei dem er drei Stunden zugebracht und den er in Respekt erhalten habe. Dagegen mache er eine verächtliche Miene, wenn sie von ihren Mäusen- und Ratten-Abenteuern im Keller erzählten; er schien die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens für höchst kleinlich und unbedeutend zu halten und bei ihren schönsten Konzerten schlief er ein oder schnurrte so laut, daß der kräftigste Katzenbaß kaum vernehmbar werden konnte. Rosaurus wurde demnach nicht mehr eingeladen und wenn seine Verwandten ihn mit einiger Höflichkeit behandelten, so geschah es blos, weil sie vermutheten, daß er große Schätze an Knochen, Zucker und Bisquit besitze, die er ihnen einmal Preis geben oder vermachen könne.
Indessen war Joly gestorben; er hatte von allzuguter Nahrung und, wie Lisi meinte, vom steten Aerger über Rosaurus, die Raute bekommen und war so ekelhaft geworden, daß man es für nothwendig hielt, ihn todt zu schießen, wovon freilich die Prinzessin nichts erfahren durfte. Bald darauf brachte man ihr ein anderes Hündchen, welches dem Joly ähnlich sah, nur jünger und lustiger. Jetzt kam die Reihe an Rosaurus eifersüchtig zu werden und er zeigte sich so heftig und erbarmungslos gegen das kleine Thier, er hatte so wenig von der Großmuth des Löwen gelernt, daß er dem neuen kleinen Joly einst mit einem starken Schlag seiner Tatze ein Auge auskratzte.
Demnach wurde Rosaurus ins Vorzimmer verbannt und der kleine Joly wurde der Schooßhund und der stete Gefährte der Prinzessin.
Einst erhielt sie zwei allerliebste kleine Vögelchen; sie waren grün und man nannte sie die Unzertrennlichen, weil sie immer ganz dicht bei einander saßen und das Bild einer guten Ehe abgaben. Sie kamen aus Amerika, wo sie heimisch sind. Die Prinzessin freute sich sehr an den kleinen Thieren. Rosaurus erblickte sie eines Tages und schien zu meinen, daß sie blos seinetwegen so weit hergekommen seien; er stürzte sich über den Bauer her und fügte seine Krallen in dessen Drathgitter, um sie herauszuholen; glücklicherweise trat gerade Lisi ins Zimmer und erhob ein furchtbares Geschrei. Rosaurus ward verjagt und das Leben der kleinen Vögel gerettet. Der Schreck mochte aber sehr groß gewesen sein und ihre schönen grünen Federchen flogen im Käfig herum, und hier und da blutete eine Stelle, wo eine scharfe Kralle die Haut geritzt hatte.
Nach dieser Missethat fiel Rosaurus gänzlich in Ungnade; und als Mademoiselle Gogo einer jungen Erzieherin Platz machte, weil sie wegen Kränklichkeit in den Ruhestand versetzt zu werden bat, nahm sie Rosaurus, an den sie sich gewöhnt hatte, mit in ihre Wohnung, wo sie ihn mit großer Liebe und Sorgfalt pflegte. Die Prinzessin hatte ihr ein großes weiches Sammetkissen für diesen Lebensgefährten geschenkt; darauf lag Rosaurus und war noch im Alter ein schöner Kater. Er that eigentlich nichts als fressen und schnurren und das Spinnrädchen der Mlle. Gogo schnurrte mit ihm um die Wette.

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