Kapitel 5 - Katzenerziehung

Artig, flink und rein müssen Kätzchen sein.

Rosaurus wurde nun zu einem recht liebenswürdigen Kätzchen erzogen; ja er zeigte täglich mehr seine großen Anlagen zu den bei einem wirklichen Hofkater so nöthigen Hofmanieren. Er eignete sich immer mehr den Ton der feinen Welt an, und wenn auch die kleine Prinzessin sich nicht sehr bemühte, zu seiner Erziehung beizutragen, indem sie ihn eigentlich nur verzog, so erwarb sich doch Mlle. Gogo große Verdienste um seine Bildung.
Eines Tages hatte Rosaurus sich gerade auf den Sammtsessel gelegt, den die Prinzessin bei der Lection einnehmen sollte und schien sehr süß zu schlafen, denn er schnarchte laut. Als nun die Prinzessin ihn vom Stuhl herunter schieben wollte, so leise und zart als möglich, indem sie ihm noch gute Worte gab, da ließ das böse Thier ihm seine Krallen fühlen und vier blutige Streifen liefen auf dem weißen Arm herab. Da ergriff Mlle. Gogo aber eine kleine Ruthe und schlug Rosaurus damit recht derb auf den Rücken; er schrie und floh unter das Kanapee. Aber er war ein kluges Thier und man hat es nie wieder erlebt, daß er sein Sammetpfötchen verleugnet hätte, wenn die Prinzessin sich mit ihm abgab. Ja er legte sich nie wieder auf ihren Sammetsessel, sondern auf ein Fußbänkchen ihr zu Füßen; dort rührte Rosaurus sich nicht, während sie Unterricht hatte; ja zuweilen hörte er so aufmerksam zu, daß man hätte meinen sollen, er verstände alles, was die Lehrer lehrten. Nur bei dem Klavier-Unterricht wurde es ihm unheimlich zu Muthe und man sah oft, daß er sich mit seinen kleinen Pfoten die Ohren zuhielt, wenn die Prinzessin spielte. Vielleicht waren es einige falsche Töne, die dem für Katzenkonzerte so gebildeten Ohre weh thaten. Oder liebte Rosaurus überhaupt nicht alles, was zu laut war? Ja! wenn die Prinzeß die Janitscharen-Musik anstimmte, da begann Rosaurus oft zu miauen und mußte zum Zimmer hinausgebracht werden. Eine andere üble Angewohnheit mußte der junge Kater ablegen. Er liebte nämlich vor Allem zu klettern, und da es im fürstlichen Zimmer weder Bäume, noch Mauern, noch Dächer gab, um seinem angeborenen Trieb zu genügen, sprang er gern auf die Tische. Da stieß er im kühnen Sprung manches hübsche Nipp herab; ihm war es ganz einerlei, ob eine schöne vergoldete Tasse, ein kostbares Kristallglas oder ein sonstiges Kunstwerk zu Grunde ging; da mußte Mlle. Gogos Ruthe ihm erst den richtigen Kunstsinn beibringen. Einstmals war er auf des Prinzeßchens Schreibtisch gesprungen, hatte erst mit ihren Federn gespielt, dann ein kostbares in Leder gebundenes Album zernagt und zuletzt noch das Tintefaß umgeworfen. Das war eine schöne Bescherung! Der arme Rosaurus mußte gewaltig dafür büßen.
Rosaurus hatte eine große Abneigung gegen die Ruthe; wir glauben, daß es nicht blos um des physischen Schmerzes willen war, sondern auch wegen seiner Ehre; dann mochte er auch nicht leiden, daß sein Fell in Unordnung gerieth; er hatte den Grundsatz, daß wenn man in guter Gesellschaft lebe, man auch anständig gekleidet sein müsse. Die Katzen pflegen nun Toilette zu machen, indem sie sich lecken. Das rosa Züngelchen dient ihnen als Kleiderbürste, der eigene Speichel als Schönheitswasser. Rosaurus hatte nun ein Plätzchen gefunden, wo es keinen Schaden anrichten konnte; das war nämlich die Fensterbrüstung. Dort saß er viel und leckte sich. Sein Fell glänzte wie Schillertaffet; den Schwanz schlang er auf anmuthige Weise um den Körper, so blickte er hinaus in die Welt, und alle Vorübergehenden, die ihn sitzen sahen, blieben stehen und sagten: "ach seht doch das hübsche Kätzchen der Prinzessin!"
Als nun einstmals die Freundinnen wieder eingeladen wurden, waren sie höchst erfreut, ihren kleinen Taufpathen wieder zu sehen und alle streichelten ihn freundlich, nur Jenny nicht, welche noch immer Spuren seiner Zähne und Krallen im Gesicht trug. Wenn sie ihn ansah, dachte sie immer: "Das abscheuliche Thier, wenn ich ihm nur etwas anhaben könnte!" Rosaurus mochte ihre üble Absicht ahnden, denn er entfernte sich und ließ sich den ganzen Abend nicht mehr sehen.
Als die Kinder nun abgeholt wurden, war Jenny die erste, welche sich entfernte, und als sie im Vorzimmer ihren Mantel umnehmen wollte, siehe, da hatte sich Rosaurus auf demselben gebettet und schlief so fest und süß, daß er nicht einmal von einer Störung träumte.
"Du häßliches Thier," sagte Jenny leise, "da hab" ich dich endlich; du sollst mir nun für deinen Frevel büßen" und geschwind, ehe es Jemand sah, und ehe Rosaurus sich auf ein hülferufendes Miau besinnen konnte, steckte sie ihn in den Arbeitsbeutel und trug ihn mit sich fort.
"Das ist recht gut, dachte sie im Gehen bei sich selbst, daß das Thier auf gute Manier fortkommt; denn seitdem es beim Prinzeßchen ist, kann gar nichts Ordentliches mehr gespielt werden, alles bewegt sich um das dumme Thier! Wie ich es hasse!"
Jennys Weg führte über eine Brücke; "ich werde Rosaurus ins Wasser werfen," sagte sie zu sich selbst, "da ist es mit ihm auf immer vorbei!"
Als das Prinzeßchen vor Schlafengehen ihren Rosaurus vergebens suchte, da dachte sie: O er wird gewiß wieder zur Esse hinauf sein auf das Dach zu seinen Geschwistern; denn sie hatte durch die Hofmagd von der Katzengesellschaft gehört, die der Schlotfeger an jenem Abend gestört hatte, so wie auch von den zwei schwer verwundeten Kätzchen, und sie ließ dem Schlotfeger befehlen, ihren Rosaurus nicht wieder zu erschrecken; dann legte sie sich nieder und tröstete sich mit der Hoffnung, am andern Morgen Rosaurus wieder zu sehen. Diese Hoffnung sollte aber nicht in Erfüllung gehen.

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